Mittwoch, 29. Juli 2015

Meditationsmissverständnisse

Wenn es im Fernsehen Sendungen über Buddhismus oder Zen gibt, sieht man in der Regel Mönche oder Laien, die meditieren oder Sutren rezitieren. Da brennen Räucherstäbchen und Kerzen und irgendwo steht eine Buddhastatue herum. Der dazu gesprochene Begleittext erklärt dann, was vor sich geht. Und fast immer heißt es dann: die Mönche (oder wer auch immer) beten. Das ist eine fehlerhafte Übersetzung bzw. Übertragung.
Im Buddhismus wird nicht in der Weise gebetet, wie es die meisten Menschen aus der christlich-abendländischen Tradition kennen. Die Handhaltung (Händefalten, jap. Gassho) ist zwar identisch, aber sie bedeutet nicht, dass Buddha als Person oder ein Heiliger angebetet wird (auch wenn einige Leute das irrtümlicherweise so handhaben).
Im Buddhismus gibt es nichts zu glauben, es geht darum, das Leben selbst zu erfahren, und nichts für wahr zu nehmen, was andere einem vorkauen.

Viele "Meditierende" meinen es würde reichen, unbewegt auf einem Kissen oder einem Stuhl zu sitzen, nichts zu sagen und die Augen zu schließen. Das allein ist für viele Ungeübte schon schwierig genug. Für manche ist es entspannend und erholsam, aber es ist noch keine echte Meditation, denn meist haben die altgewohnten Bilder und Gefühle Oberhand. Der Übende folgt einfach nur seinen eigenen Gedanken und Träumereien und verschwindet mit seiner Aufmerksamkeit ins Land der Phantasie.
Echte Meditation beginnt, wenn man den Fokus der Aufmerksamkeit auf das bewusste Beobachten des Atems richten und ihn dort halten kann. Danach kommt das kommentarlose Beobachten der Gedanken. Erst nach mehr oder weniger langer Übung stellt sich eine sehr tiefe innere Stille ein. In dieser Stille ist der Meditierende aber nicht abwesend oder in fremden Sphären. Nur der fortwährende Schwall an unkontrollierten Gedanken und wabernden Emotionen zieht sich durch die Übung zurück. So wie das Wasser bei Ebbe verschwindet, verschwinden auch die murmelnden Gedanken. 

Die höchste Form der Meditation besteht am Ende darin, diesen ruhigen und wachen Zustand nicht nur auf einem Meditationskissen halten zu können, sondern ihn auch in ganz alltäglichen Situationen immer wieder herzustellen. Freiheit von Gedanken in der Meditation bedeutet nicht "Gedankenlosigkeit". Wenn du dir deinen Geist vorstellst wie einen großen Raum, dann ist er im Alltagsbewusstsein angefüllt von chaotisch herum wirbelnden Gedanken. In der Meditation macht man diesen Raum erst einmal leer, und schaut sich die Gedanken an, die man wieder hinein lassen möchte. Auf diese Weise entsteht mehr Klarheit, mehr Ruhe und eine größere Handlungsfähigkeit. 

(aus unserem Lebenskunst-Newsletter November 2011)