Sonntag, 30. September 2012

Schweigejahr

Im Schweigen kommt die Wahrheit
der Wirklichkeit am nächsten.

Michael Richter

Ein Jahr lang kein Lebenskunst-Rundbrief, zwölf Monate Schweigen.

Es gab viele Gelegenheiten, in denen wir den spontanen Impuls hatten, unsere Gedanken mit der  "Lebenskunst-Sangha" zu teilen, aber es gibt einen Unterschied zwischen dem Teilen von Gedanken und dem Verfassen eines Newsletters: Das eine ist unmittelbar, das andere ist Kopf- und Schreibarbeit. Und so folgte dem Impuls, der Lesergemeinde etwas mitzuteilen, erst mal keine Aktion. Verfolgt man diese Strategie konsequent, dann stellt sich schnell heraus, ob der spontane Gedanke wichtig genug ist, um ihn gleich in die Welt hinaus zu posaunen. Oft war er es nicht. Ein Themenkreis hat uns in den letzten Monaten dann aber doch immer wieder beschäftigt: Der Zusammenhang von Stress, Burnout und die zunehmende Abhängigkeit von digitalen Medien.

Das beste Zitat, das wir dazu neulich hörten lautete sinngemäß: "Viele Firmen tun heutzutage so, als wären ihre Mitarbeiter alle Notärzte: rund um die Uhr im Einsatz!"

Auch wenn der Spruch übertrieben erscheinen mag: Vielleicht kennst du das wiederkehrende Ritual der Geschäftsreisenden?  Kaum ist ein Flugzeug gelandet, greift die Mehrzahl der Passagiere in die Jackentasche, um das Mobiltelefon einzuschalten. Manchmal sind es auch zwei, sogar drei Handys, die nacheinander eingeschaltet und durchgezappt werden müssen. Was hat man in den letzten 90 Minuten alles verpasst? Dieses stereotype Verhalten ist für die meisten Leute so normal, dass kaum jemand darüber nachdenkt. Die Frage, die sich uns dabei regelmässig stellt, lautet: Steuern wir das Handy oder steuert es uns?

Suchtpotenzial erkennen
Einen telefonierenden Autofahrer erkennt man sofort: der Fahrzeuglenker fährt langsamer oder ungleichmäßig, der Wagen driftet leicht nach rechts oder links, die Reaktionszeit an Ampeln ist verringert. Kein Wunder, dass Handys am Steuer verboten sind. Eigentlich. Aber wenn es klingelt, geraten Körper und Psyche in einen Alarmzustand. Es könnte ja wichtig sein! Und so können viele Menschen weder im Auto noch in der U-Bahn noch im Fitness-Studio auf ihr Handy verzichten. Wir haben auch schon Telefonate auf öffentlichen WCs mithören dürfen...

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass junge Menschen, die einen Tag ohne Handy, TV und ohne Internetzugang ausharren mussten, die gleichen Entzugserscheinungen zeigten, wie Menschen, die unter Alkoholentzug litten (!). Eine junge Frau berichtete in einer Fernsehsendung dann auch, dass sie für sich während der Fastenzeit eine ganz besondere Form des Fastens entwickelt habe: das so genannte Medienfasten. Während andere Menschen in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern auf bestimmte Genussmittel verzichten, wollte sie ihren Internet- und Handykonsum drastisch einschränken. Bemerkenswert.

Gesundheitliche Folgen ungeklärt
Wenn man bedenkt, dass Radiosender in einem Tunnel nicht empfangen werden können, stimmt es uns doch nachdenklich, dass die Signale von Mobiltelefonen sogar x Meter unter der Erde bis in einen U-Bahn-Waggon dringen. Mit welcher Strahlendosis werden wir beschossen, wenn Dutzende von U-Bahn-Fahrgästen gleichzeitig telefonieren und surfen?  Es gibt keine Langzeit-Untersuchungen über die Wirkung der Strahlenbelastung durch Mobilfunk und so lange kein wissenschaftlich anerkannter Beweis erbracht ist, gilt stets der aktuelle Stand des Nichtwissens. Vielleicht werden wir es noch erleben, dass man dereinst das mobile Telefonieren in geschlossenen Räumen genauso verbietet, wie das Rauchen?
Unabhängig davon, ob die Strahlung von Handy & Co. gesundheitlich bedenklich ist, stellt sich eine ganz andere Frage:
  • Nach Herzenslust telefonieren, wo immer man ist - brauchen wir das wirklich?
  • Immer mobil ins Netz gehen und Nachrichten beantworten - brauchen wir das wirklich?
  • Könnte diese ständige Verfügbarkeit ein wesentlicher Grund dafür sein, dass wir nicht mehr zur Ruhe kommen, weil wir uns ständig und überall ablenken lassen?
Ablenkung führt zu Stress. Wird dieser Stress nicht abgebaut, entstehen nach und nach Krankheiten. Unser Körper hat die Fähigkeit, sich selbst zu heilen. Diese Kräfte kann er aber nur mobilisieren, wenn ihm JETZT (also ohne Ablenkungen) dazu die Möglichkeit gegeben wird. Es ist also elementar wichtig, dem Körper und dem Geist diese Phasen der Ruhe zu gönnen, und die Verbindung nach innen aufzunehmen, statt permanent nach aussen orientiert zu leben.

Einen Mittelweg finden
Wir wissen, dass viele Lebenskunst-Leser kein TV-Gerät haben. Aber wie ist es mit Handy und Internet? Damit wir uns nicht falsch verstehen: wir wollen nicht auf das Internet verzichten, und auch wir benutzen Mobiltelefone. Es kommt nur immer drauf an, ob wir noch Herr der Technik sind, oder ob die Technik uns bereits so im Griff hat, dass wir nicht mehr ohne sie leben und uns auch nicht mehr ohne sie organisieren können!
  • Wie lange hältst du es ohne Internetzugang aus?
  • Schaltest du dein Mobiltelefon regelmässig aus?
  • Wie reagierst du, wenn andere Leute im Urlaub tagelang nicht erreichbar sind?
  • Wüsstest du, wie du mit deinen Freunden und Verwandten in Verbindung trittst, wenn die Internet- und Handyverbindungen für mehrere Tage ausfallen würden?
Die letzte Frage kommt dir vielleicht sonderbar vor, denn es scheint völlig unvorstellbar, dass so etwas passieren könnte. Deshalb ist es vielleicht umso interessanter, mal darüber nachzudenken.

Die digitale Welt ist wunderbar. Die Technik nimmt uns viel Arbeit ab, sie schafft dabei gleichzeitig eine Menge neuer Beschäftigungen und Ablenkungen. Unser Rundbrief (Blog) ist Teil dieser schönen neuen Welt, und wir sind uns dieser Zwiespältigkeit durchaus bewusst.
In diesem Sinne hoffen wir - und arbeiten daran -, dass unser Lebenskunst-Blog dabei hilft,

- sich Auszeiten zu nehmen
- sich immer wieder aufs Wesentliche zu besinnen
- sich zu konzentrieren und damit auch wieder mehr innere Ruhe zu finden.

Dazu unsere heutigen Denkfragen:
  • Wie geht es dir bei dem Gedanken, dass du dein Mobiltelefon mal für zwei Tage beiseite legen könntest? Welche Gefühle kommen hoch?
  • Welche Strategien hast du entwickelt, um dich zu konZENtrieren?
Wir wünschen uns und unseren Lesern eine gesunde Mischung aus digitaler Inspiration, wertvoller Kommunikation und erholsamer Konzentration!

Jacqueline & Thomas

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